Hinweis: aus urheberrechtlichen Gründen nur die Zusammenfassungen mit freundlicher Erlaubnis des Berechtigten, der gesamte Beitrag ist erschienen in der Essay-Sammlung: Sein und Werden in der Göttin Schoß
Dienstag, 7. Februar 2012
Verschriftlichung der Welt
Copyright Karsten Cascais
Hinweis: aus urheberrechtlichen Gründen nur die Zusammenfassungen mit freundlicher Erlaubnis des Berechtigten, der gesamte Beitrag ist erschienen in der Essay-Sammlung: Sein und Werden in der Göttin Schoß
Männliche Verallgemeinerung und die Versklavung des Weiblichen
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1 Entwicklung zum Kulturträger
2 Verselbständigung des Abstraktionsvermögens
3 Verallgemeinerung von Information und Wissen
4 Von Bildern zu abstrakten Symbolen
5 Revolutionierung der virtuellen Welt
6 Des Menschen matriarchale Herkunft
7 Göttliche Sexualkraft
8 Paradigmenwechsel
9 Männliche Verallgemeinerung und die Versklavung
des Weiblichen
10 Entsexualisierung und Idealisierung
11 Zivilisationsbruch durch Verselbständigung der
Verallgemeinerung
12 Asexualisierung im Kollektiv
13 Einzug der Beliebigkeit in die Verallgemeinerung
14 Abstraktion kennt keine Wahrheit
15 Patriarchale Kulturrevolution: entleiblichte
Liebe
16 Abstraktion von den Bedürfnissen des Einzelnen
17 Gefahren und Chancen der Verallgemeinerung
18 Die männliche bedingte Dominanz bei der
Verschriftlichung
19 Prüfstand
20 Wiederherstellung der Leiblichkeit des Menschen
Überblick
Das Patriarchat,
worunter die immer noch weitverbreitete Vorherrschaft des Mannes verstanden
wird, wurde durch die Verschriftlichung der Welt geboren, worunter nicht die
Erfindung der Schrift, sondern deren Durchsetzung als kulturelles Medium
verstanden wird, und was im vorletzten und beginnenden letzten vorchristlichen
Jahrtausend geschah. Verbunden war damit in der Folge auch die Durchsetzung des
Monotheismus als Glauben an einen einzigen Gott männlichen Geschlechts.
Gleichzeitig führte die Verschriftlichung zum Untergang einer lange Zeit
weitverbreiteten matriarchalen Ordnung, womit eine umfassende Entrechtung der
Frauen einherging. Seither wurden die Frauen nur noch durch ihre Eignung, für
den Nachwuchs der Männer zu sorgen, definiert. Die Verschriftlichung löste eine
kulturelle Revolution aus, von der noch die die neue männliche Herrschaft
verherrlichenden überkommenen ersten frühen schriftlichen Großwerke wie das
Gilgamesch Epos, die Schriften Hesiods und Homers aber auch das Alte Testament
der Bibel zeugen. Die bis dahin vorherrschenden Deutungen, die sich an der
Einbindung in einen natürlichen Lebenskreislauf orientierten, waren weiblicher
Art und geprägt von der Teilhabe an einer alles tragenden Lebenskraft, deren
Hauptmerkmal die Fruchtbarkeit in Bezug auf Ernährung und Vermehrung bildete.
Daher wurde das menschliche Leben über den weiblichen Schoß definiert, der auch
die Männer mit dem Göttlichen verband, wie es etwa in der Großen Mutter verehrt
wurde. Die Verschriftlichung, denen die Männer nach ihren biologischen und
gesellschaftlichen Aufgaben weitaus näher standen als die im natürlichen
Rhythmus biologisch eingebundenen Frauen, ermöglichte es den Männern sich von
dieser Abhängigkeit zu befreien und ihre eigene Bedeutung in Bezug auf die
Vermehrung zu erkennen, wie auch den Umstand, bei der Zeugung ihres Nachwuchses
nicht einem besonderen weiblichen Herrschaftsverhältnis zu unterliegen, wie es
etwa die Vorstellung vom ewigen göttlichen Lebenskreislauf, dem die Männer
eingegliedert waren, nahezuliegen schien. Nachdem die Männer aber erkannt
hatten, dass es von ihrer Macht abhing, Frauen dazu zu bestimmen, für die
männlichen Nachfahren zu sorgen, wurde die bisherige das Weibliche bevorzugende
matrilineare soziale Struktur verdrängt und die Frauen zu Vermehrungszwecken
instrumentalisiert. Strikte moralische Regeln sicherten nunmehr die männliche
Ausschließlichkeit im Hinblick auf Schwangerschaft und Schoß ab. Die
Verschriftlichung veränderte aber gleichermaßen auch die Möglichkeiten
gesellschaftlicher und kultureller Formen, die allesamt darauf zielen, dass die
beteiligten Menschen sich aufgrund einer ihnen vorgegebenen Information in
bestimmter Weise verhalten, um mittels ihrer zu einer bestimmten Zeit an einem
bestimmten Ort zu erbringenden bestimmten Beiträgen mit den anderen Beteiligten
Gemeinsames zu bewirken. Die bislang durch die engen Grenzen einer nur
mündlichen Informationsübermittlung bestandenen räumlichen und zeitlichen
Einschränkungen wurden infolge der Verschriftlichung gesprengt, wodurch sehr
viel weitreichendere soziale, also virtuelle Formen, selbst in anonymisierter
Weise, gebildet werden konnten, wie etwa große Staaten und Reiche. Schließlich
vergrößerte die Verschriftlichung auch die individuelle Erkenntnisgewinnung
durch eine nahezu schrankenlose Ausweitung der an sich jedem Einzelnen
innewohnenden Fähigkeit zur Abstraktion, indem nun beliebig viele andere
Informationen, auch soweit originär nicht erinnerbar, in den Denkprozess
eingestellt werden konnten, was schließlich auch im weiten Umfang erstmals
Wissenschaften ermöglichte. Die Abstrahierung wie ebenso das gemeinsame
Bewirken vor allem zur Gewaltausübung bei der Verteidigung und der Jagd lagen
dem männlichen Selbstverständnis weitaus näher als dem weiblichen, weswegen die
sich nunmehr aufgrund der Verschriftlichung bildenden Kultur in Übereinstimmung
mit der weiblichen Entmachtung und ihrer Instrumentalisierung für männliche
Bedürfnisse zur einer ausschließlich männlichen Domäne wurde. Hieraus entstand
die patriarchale Herrschaft, die in ihrer ersten Stufe zu der antiken
phallokratischen Verherrlichung alles Männlichen, auch im Sexuellen führte, und
die in deren Überwindung dann in der zweiten Stufe unter fortschreitender
Abstrahierung und damit verbundener Idealisierung in der Vorstellung eines
einzigen männlichen Gottes einhergehend mit einer Entleiblichung und Entsexualisierung
menschlicher Lebenswirklichkeit wie im frühen Christentum endete. Hierauf
gründet die moderne Welt, indem sie die Idealisierung der Lebensverhältnisse
fortsetzte und die sich immer weiter verallgemeinernden Formen eine immer
realere Erscheinung anzunehmen schienen. Die Ideen, deren Inhalt beliebig
definiert werden konnte, wurden einem Sein gleich erachtet, die Bedürfnisse
eines jeden Einzelnen jedoch verkamen zu deren bloßen Akzidenz. Das durch die
Verschriftlichung geschaffene besondere Abstraktionsvermögen entwickelte sich
immer mehr zu einer Zivilisationsfalle, deren Folgen mit weiterem Fortschreiten
der Zivilisation für den Einzelnen trotz aller zweifelsfreien positiven
Wirkungen zunehmend bedrohlicher zu werden scheint. Eine große Korrektur des
mit der Verschriftlichung eingeschlagenen Wegs steht durch die Überwindung des
Patriarchats in den modernen Gesellschaften an. Die es erzeugt habenden Kräfte
sind aber derart, dass eine Rückbesinnung auf die Verhältnisse vor Beginn der
Verschriftlichung unvermeidbar ist.
1 Entwicklung zum
Kulturträger
Die Verschriftlichung
der Welt, als die wir die kulturell bedeutsame Verbreitung der Schrift
bezeichnen, konnte nur nach Entwicklung tauglicher Schriftträger, wie die
Papyri oder Pergament, sowie einer Vereinfachung und Anpassung ihrer Symbole
durch Alphabetisierung erfolgen. Dies geschah erst im Laufe des zweiten
vorchristlichen Jahrtausends, so dass die ersten großen schriftlichen Werke
unserer Kultur erst aus den nachfolgenden Jahrhunderten des ersten
vorchristlichen Jahrtausends stammen.
2 Verselbständigung des Abstraktionsvermögens
Die Verschriftlichung
änderte nicht die Kommunikation, jedoch deren Möglichkeiten durch eine
erhebliche Erweiterung der Information, sowohl der Verbreitung nach als auch
inhaltlich. Deren raumzeitliche Ausweitung führte zu grundlegend neuen
virtuellen (kulturellen und gesellschaftlichen) Gestaltungen. Gleichzeitig
wurde die in jedem Einzelnen angelegte Fähigkeit zur Verallgemeinerung von
Wahrnehmungen, die auch der Gewinnung von Kenntnissen dient, zu einem
allgemeinen Abstraktionsvermögen auf Ebene der Symbolträger gewissermaßen
verselbständigt.
3 Verallgemeinerung
von Information und Wissen
Die Verschriftlichung
schuf die Voraussetzungen für raum- und zeitübergreifende virtuelle Gestaltungen
infolge der zunehmenden Verallgemeinerung der Information bis hin zur heutigen
Entmaterialisierung. Durch eine theoretisch unendliche Ausdehnung der
Abstraktion, die diese selbst wieder zum Gegenstand des abgesprochenen
Zusammenwirkens machte, wurde die Wissenschaft geschaffen und die
Wissensgewinnung explodierte, sie endete schließlich im Idealismus.
4 Von Bildern zu
abstrakten Symbolen
Die innere
Wahrnehmung des Einzelnen erfolgt in den Gefühlen zugeordneten, nicht einer
Abstraktion zugänglichen Bildern, hiervon war auch die Kommunikation bis zur
Verschriftlichung im Wesentlichen bestimmt. Mit der Verschriftlichung wurden
die Bilder von mittels der Abstraktion gewonnenen Symbolen weitgehend
verdrängt, ohne Symbole wäre eine Kultur nicht denkbar. Mit Hilfe der
Abstraktion kann aber keine Wahrheit gefunden werden, sondern allein eine
intersubjektive Angleichung soweit, dass sie für gemeinsam zu bewirkende Zwecke
ausreicht, eine Objektivierung ist indessen ausgeschlossen.
5 Revolutionierung
der virtuellen Welt
Da sowohl das
biologische wie auch das kulturelle und gesellschaftliche Leben stets nur ein
Werden sind, das in jedem Augenblick und an jedem Ort infolge der Umsetzung der
den Beteiligten vorliegenden Information wirken kann, führten die qualitativen
und quantitativen Veränderungen der Information infolge der Verschriftlichung
notwendigerweise zu einer Revolution der virtuellen Welt. Wollen wir begreifen,
wie eine Welt ohne diese Veränderung aussah, müssen wir die vor
Verschriftlichung bestandenen Verhältnisse zu rekonstruieren versuchen.
6 Des Menschen
matriarchale Herkunft
Kultur und
Gesellschaft der Menschen vor Verschriftlichung waren feminin bestimmt, die
Zugehörigkeit zu Gruppen wurde über die Geburten durch die Mütter festgelegt,
in deren Gebärfähigkeit eine Eigenschaft einer alles Leben hervorbringenden
allgemeinen göttlichen Lebenskraft gesehen und als Ausdruck eines natürlichen
Lebenskreislaufs verstanden wurde. Dies galt auch noch lange Zeit nach
Entdeckung der biologischen Beteiligung der Männer, der ursprünglich eine
Öffnung des Schoßes zugeschrieben wurde, um den wieder zu gebärenden Seelen die
Einnistung zu ermöglichen. Die Kraft selbst war weiblich, was sich nach
Einführung der Landwirtschaft im Sinne einer allgemeinen Fruchtbarkeit zu
bestätigen schien.
7 Göttliche Sexualkraft
Die Sexualität
bestimmte wie viele Lebewesen auch den Menschen und es ist zu vermuten, dass
mit der Entdeckung der Beteiligung des Mannes am allgemeinen Lebenskreislauf
auch ein Zusammenhang der Sexualität mit der durch den weiblichen Schoß
vermittelten allgemeinen Lebenskraft gesehen wurde, so dass das sexuelle
Erlebnis selbst als Teilnahme am Göttlichen zu verstehen war. Der Zusammenhang
der Sexualität mit der Arterhaltung bestimmte indessen nicht die unmittelbare
Wahrnehmung, diese Erkenntnis konnte der Mensch nur allgemein, also abstrakt
gewinnen.
8 Paradigmenwechsel
Vor Beginn der
Verschriftlichung lebten die Menschen in kaum anonymisierten überschaubaren
Verhältnissen, wie sie sie die nur mündlich vermittelte Information bilden
ließ, wobei Verhaltensanweisungen sich aus den Notwendigkeiten des natürlichen
Kreislaufs ergaben. Die mit der Verschriftlichung einziehende Anonymisierung
der das Verhalten bestimmenden Information führte zu völlig neuen Systemen, die
auf der fortschreitenden Abstraktion beruhten. Die bekannten
Korrekturmechanismen durch Irrtum und Wahrheit waren auf abstrakte Systeme
nicht anwendbar, Korrekturen erfolgten hier nur durch Systemzusammenbrüche,
deren erste Opfer zumeist die beteiligten Menschen waren.
9 Männliche Verallgemeinerung und die Versklavung des Weiblichen
Die infolge der
Verschriftlichung beginnende Verselbständigung der Verallgemeinerung entsprach
tendenziell mehr männlichem als weiblichem Verständnis. Während die Frauen mit
dem natürlichen Lebenskreislauf sogar leiblich unmittelbar verbunden waren,
waren die von Männern zu erledigenden Aufgaben stets allgemeiner Art. Die mit
der Verschriftlichung sich bildenden wissenschaftliche Methode enthüllte ihnen
ihre biologisch kausale Vaterschaft und die biologisch passive Natur der
weiblichen Beteiligung, was zu der das Patriarchat kennzeichnenden Entrechtung,
der vollkommenen Instrumentalisierung der Frauen und ihrer endgültigen
Versklavung führte.
10 Entsexualisierung
und Idealisierung
Die von männlichen
Bedürfnissen bestimmte fortschreitende Abstrahierung der Begriffe führte recht
schnell zum Idealismus, indem den Begriffen Realität beigelegt wurde, nachdem
man von den Eigenschaften allen Lebens abstrahiert hatte, wodurch in Folge der
Einzelne durch das Kollektiv vereinnahmt wurde. Die Abstrahierung selbst endete
nach den idealistischen phallokratischen antiken Ausflügen in dem Begriff eines
einzigen allmächtigen männlichen Gottes, dem alle Menschlichkeit abhandengekommen
war, vor allem aber die den Menschen ihr Leben vermittelnde Kraft der
Sexualität.
11 Asexualisierung im
Kollektiv
Je stärker der Grad
der Kollektivierung einer Gemeinschaft ist, umso feindlicher ist die ihr
zugrunde liegende Information, etwa in Form von Moral, der individuellen Lust,
vor allem aber der Sexualität gegenüber ausgerichtet. Je kollektivistischer,
umso komplexer ist die entsprechende Information und umso höher sind die
Anforderungen an ihre verlässliche Umsetzung. Die Wirkungsmechanismen der
Willensbildung beim Einzelnen sind hiervon unverändert, so dass beim
Glücksstreben den der Kollektivierung dienenden Zielen vor den individuellen
Lustzielen Vorrang gegeben werden muss, was vor allem die Abwertung der
Sexualität bedingt.
12 Zivilisationsbruch
durch Verselbständigung der Verallgemeinerung
Die Verallgemeinerung
erfolgt durch Weglassen von Eigenschaften, die nach vorgegebenen Kriterien
bestimmt werden, um so die Vielfalt zu typisieren. Das Ergebnis dient der
Information der an ihrer Umsetzung Beteiligten. Der Zivilisationsbruch entstand
durch die Verselbständigung der Abstraktion in Form der ausschließlichen
Ausrichtung ihrer Ziele nicht an den Auswirkungen auf die Beteiligten sondern
an den systemimmanenten oder anderen systemischen Vorgaben. Diese Loslösung
führte zum Idealismus und zur Beliebigkeit aller virtuellen Ziele, wobei die
beteiligten Einzelnen oft selbst Opfer dieser Ziele wurden. Irrtum und Wahrheit
wirken zudem nur im Einzelnen, systemisch äußert sich ein Irrtum nur durch
einen Systemzusammenbruch, dies wieder zu Lasten der beteiligten Einzelnen.
13 Einzug der
Beliebigkeit in die Verallgemeinerung
Durch ihre
Begrifflichkeit waren die Ziele der Verallgemeinerung beliebig und waren somit
zum Nachteil der Beteiligten auch beliebig einsetzbar, ein Einfallstor zu deren
Missbrauch. Trotz ihrer Beliebigkeit konnten die Ziele indessen auch den
beteiligten Einzelnen hinsichtlich derer Lebensbedürfnisse dienen, wie es allen
idealistischen Weltanschauungen vorschwebte. Dies war und ist aber in den
meisten Fällen eine Täuschung, da idealistische Systeme nicht geeignet sind,
die Auswirkungen auf die betroffenen Einzelnen zu optimieren. Die Beliebigkeit
lässt sich nur durch eine enge Koppelung an die Bedürfnisse des Einzelnen begrenzen.
14 Abstraktion kennt
keine Wahrheit
Abstraktion entfernt
sich in ihrer Methode von der jeweils allein im Einzelnen gegründeten Wahrheit,
je abstrakter, umso weniger Teilhabe an ihr, erst in ihrer Bewährung bei
Verwendung als Information zur virtuellen Gestaltung gelangt sie über die
Auswirkungen des Bewirkten auf den Einzelnen zurück zu ihr. Ihr Inhalt selbst
ist beliebig und willkürlich von denen, die sich ihrer bedienen, festgelegt.
Durch die idealistische Anmaßung der Gültigkeit von Begriffen aber werden die
Einzelnen verunsichert, sie können sich dieser usurpierten Herrschaft am
ehesten bei ihren leiblichen Grundbedürfnissen wie der Nahrungsaufnahme
entledigen, hinsichtlich ihrer sozialen Grundbedürfnisse gelingt ihnen dies
aber nur, wenn sie sich an den Punkt vor der Herrschaft des Abstrakten, dem
Beginn der Verschriftlichung, zurückbegeben.
15 Patriarchale
Kulturrevolution: entleiblichte Liebe
Die großen nach der
Verschriftlichung entstandenen Werke, auch die Bibel, sind Ergebnis einer
ausgelösten Kulturrevolution zur Verherrlichung männlichen Wirkens und zur
Vernichtung der Spuren der matriarchalen Vergangenheit, eine noch heute gültige
Sicht der damals ausgelösten Entwicklung. Im Zentrum stand die Loslösung der
männlichen mythischen und damit sexuellen Abhängigkeit von den Frauen, die über
den Umweg einer Phallisierung schließlich zur Entleiblichung und damit
Entsexualisierung des Menschen im Christentum und anderen Weltanschauungen
führte. Leiblichkeit wurde zur Sünde, den Leib zu quälen zur Gottestugend. Die
alle Leiblichkeit und alles Leben begründende und spiegelnde Große Mutter wurde
von dem den Leib verneinenden Gottvater, zu dem man erst nach Überwindung des
Jammertals des Lebens durch den Tod gelangen konnte, abgelöst. Die Liebe aller
Leiblichkeit entkleidet verkam zur beliebig verwendbaren sozialen Klebemasse.
16 Abstraktion von
den Bedürfnissen des Einzelnen
Der
Zivilisationsbruch bestand darin, dem Abstrakten eine Wirklichkeit und damit
dem Virtuellen ein echtes Sein beilegen zu wollen. Der Bruch lag aber nicht in
der fortschreitenden Abstraktion und der damit einhergehenden Zunahme der
Effizienz im Hinblick auf die gesetzten Ziele, sondern in der Loskoppelung von
dem Wohle der betroffenen beteiligten Einzelnen. Die Abstraktion selbst blieb
nur ein besonders taugliches Mittel zur Verallgemeinerung der Information, die
auch zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der Einzelnen einzusetzen war. Je
abstrakter indessen die zugrundeliegende Information, umso instabiler die
hierdurch entstehenden Systeme des virtuellen Seins, das anders als ein
wirkliches Sein in jedem Augenblick bewirkt werden muss und sich dabei
unvermeidbar vom Einzelnen und seinen Bedürfnissen entfernt.
17 Gefahren und
Chancen der Verallgemeinerung
Das im Bewusstsein
angelegte Abstraktionsvermögen zur Verallgemeinerung der Wahrnehmung wurde
durch die Verschriftlichung ebenso wenig verändert wie die unmittelbare, also
emotionale Kommunikation, auch setzte es den Menschen nicht in den Stand,
selber reales Allgemeines -mit oder ohne Verschriftlichung- zu schaffen. Es
änderte aber nicht nur die Möglichkeiten der mittelbaren, also informativen
Kommunikation um Dimensionen, sondern entzog zugleich den Lebensbedürfnissen
der die Information umsetzenden Einzelnen ihre unmittelbare Bedeutung. Das
änderte indessen nichts daran, dass die Verschriftlichung Kultur und
Gesellschaft bereicherten.
18 Die männlich
bedingte Dominanz bei der Verschriftlichung
Dadurch dass die
Männer der begrifflichen Verallgemeinerung näher als die Frauen standen,
beherrschten sie die neuen Möglichkeiten, die ihnen die Verschriftlichung bot,
und gaben so der sich hierauf gründenden neuen Kultur die Richtung hin zum
Patriarchat. Hinzutrat, dass die Machtausübung infolge des Bewirkens eine eher
männliche Eigenschaft war, die zwar innerhalb von sozialen Systemen
ausgeglichen zu werden pflegt, das überkommene matriarchale System aber am
Patriarchat gerade zerbrach. Die Entleiblichung und Abwertung der Sexualität
befreite von der Abhängigkeit von den Frauen und Kultur und Gesellschaft wurden
zum Garant männlicher Vorherrschaft, die bis heute noch nicht überwunden wurde.
Selbst die moderne abendländische Aufklärung benötigte noch dreihundert Jahre,
bis -sehr zögerlich- begonnen wurde, deren Ansprüche auch auf Frauen zu
erstrecken.
19 Prüfstand
Dem Zivilisationsbruch
folgt nun in der Gegenwart vor allem in westlichen Gesellschaften ein
Kulturbruch, weil die ursprünglich dort vorhandenen Formen nicht mehr den durch
die Auflösung des Patriarchats entstandenen Anforderungen genügen können. Alle
Kultur, auch die Religionen gehören auf den Prüfstand, indem deren Entwicklung
seit Verschriftlichung und Patriarchalisierung nachvollzogen wird. Der Maßstab
kann dabei nur der Einzelne sein, wie er von seinem Bewusstsein konstituiert
wird und in Gefahr gerät, im Rahmen der modernen Informationstechnologie im
Kollektiv seine letzten Nischen zu verlieren. Ihn vermag weder der angebliche
Individualismus des Christentums zu retten, der sich in der persönlichen Schuld
erschöpft, noch die Vergegenständlichung der Bedürfnisse des Einzelnen, die ihm
der Sozialismus nur gegen Überantwortung seiner Seele an ein Kollektiv
verspricht.
20 Wiederherstellung
der Leiblichkeit des Menschen
Der Mensch muss
wieder in seine gegenständlichen Rechte als Einzelner gesetzt werden, damit
seine Leiblichkeit nicht auch noch hinweg digitalisiert wird. Dazu muss man
sich hinter den Zivilisationsbruch zurückversetzen, als sich infolge der
Verschriftlichung die Verallgemeinerung verselbständigte und den Einzelnen mit
seinen Bedürfnissen zur bloßen Akzidenz degradierte. Seine virtuelle
Entleiblichung und Entsexualisierung waren der Wendpunkt zur neuen
patriarchalen Kultur und sie bestimmen noch heute deren Gehalt so stark, dass
selbst Feministinnen sich deren Ansprüchen weiterhin beugen. Der Mensch erfährt
indessen alles nur über und durch seinen Leib, auch eine etwaige Göttlichkeit
der allgemeinen Lebenskraft, und ist nur deren Anforderungen, auch an Treue und
Verlässlichkeit, unterworfen, ungeachtet seiner Freiheit, einem solchen
Göttlichen auch mit seinem Leib zu dienen, um an dessen Kraft teilzuhaben.
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