Montag, 30. März 2009
Die Entleiblichung des Menschen
Die Göttinnen des Matriarchats banden die Menschen ein in den natürlichen Kreislauf des Lebens. Das Leben war Geburt und Tod und Wiedergeburt, so wie auch die göttlichen Geliebten der Göttinnen wandelten. Sie traten in das Leben mit der Geburt durch die Muttergottes ein, feierten mit der Göttin die heilige Hochzeit in geschlechtlicher Vereinigung und öffneten so den göttlichen Schoß für einen neuen Gott, der lebende Gott aber entschwand wieder mit seinem Tod, wenn sich die Pracht der Natur ebenso wieder ihrem Ende zu neigte. Die Prallheit des Lebens spiegelte sich in dem orgastischen Erlebnis der sexuellen Vereinigung. Es folgte die Zeit der den Tod ihres Geliebten heiß beklagenden Göttin, die den hohen Freuden der vergangenen heiligen Hochzeiten in ihren von den Priesterinnen vorgetragenen Gesängen nachtrauerte. Doch auch die Natur erwachte wieder und mit ihr wurde der Gottgeliebte wiedergeboren und das Leben begann von neuem seinen Kreislauf. Nur die Göttin war ewig, jedoch pflanzte sie ihren Gottgeliebten ebenso fort wie die Menschen und die ganze Natur. Das war der Glauben, bis er vom patriarchalischen Eingott verdrängt wurde. Nicht änderte sich der Kreislauf, nur fand er entsprechend der infolge der Verschriftlichung der Welt neu geschaffenen abstrakten Begrifflichkeit der Deutung der Welt ein einziges Mal statt. Die Initiation wurde zum Schöpfungsakt, das Leben zum abstrakten Dienst an einem ebenso abstrakten Gott, der die Sinnlichkeit des Lebens soweit duldete, soweit sie zum Leben unverzichtbar war, die Sexualität auf den bloßen Zweck der männlichen Zeugung des Nachwuchses eingeschränkt. Der Tod war der Übergang ins Paradies, worunter sich die Menschen nunmehr ein Jedes vorstellen konnten. Der Schöpfung des Menschen folgte die Erlösung durch die Geburt Gottes, nachdem für die Christen hierzu der Heilige Geist den ungeöffneten Schoß Marias beseelt hatte. Der so erlöste Mensch war nunmehr der einmaligen Wiedergeburt fähig mit der Auferstehung der Toten, nach anfänglichen Zweifeln schließlich am Ende aller Zeit beim Jüngsten Gericht. Für einen in der Natur eingebundenen Menschen gab es in dieser Religion, wo Liebe zum Abstraktum geriet, keinen Raum mehr. Auch die Muttergottes verlor alle Verbindung zur natürlichen Weiblichkeit, ihr Körper hatte nur noch einer Idee zu dienen. Zudem besann man sich erst im fünften Jahrhundert nach Christi darauf, dass der Gottessohn auch eine Gottesmutter besaß, nachdem allein die reine Vorstellung von einer abstrakten Gottesgeburt die Menschen nicht dazu brachte, von ihren alten Göttinnen wie Isis und Aphrodite zu lassen. Mehr noch, mit dieser Abstrahierung von der Natur wurden bloße Begriffe zu neuen Götzen und selbst der Mensch trat der nunmehr reinen göttlichen Idee selber nur noch als begriffliche Hülle entgegen, von aller Leiblichkeit entleert. Sein Leid wurde zum Ausweis göttlicher Gnade, Glück, Freude, Sinnlichkeit zu seiner Schande. Die Priesterinnen der Göttinnen gingen als Tempelhuren in die Geschichte ein. Alles, was an die orgiastische Freude beim Geschlechtsakt erinnerte, wurde ausgetilgt oder als Gotteslästerung gebrandmarkt. Dabei lag und liegt in ihr die einzige Verbindung zum für den Menschen wahrnehmbaren Göttlichen. Deswegen konnte auch keine Macht der Welt und des vorgeblichen Jenseits diese Freude jemals austilgen.
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